
Rettungsinseln – Sicherheit für den Ernstfall auf See
Sicherheit an Bord ist das oberste Gebot – ganz gleich, ob Sie auf dem offenen Atlantik, im Mittelmeer oder in küstennahen Revieren unterwegs sind. Doch was tun, wenn der Ernstfall eintritt und das eigene Schiff nicht mehr gehalten werden kann? In solchen Situationen wird aus der oft unbeachteten Rettungsinsel schnell die wichtigste Lebensversicherung an Bord. Dennoch wird die Bedeutung der richtigen Rettungsinsel, sowie deren Auswahl, Lagerung und Wartung, häufig unterschätzt.
In diesem Ratgeber erfahren Sie, warum eine Rettungsinsel zur unverzichtbaren Sicherheitsausstattung jeder seegehenden Yacht gehört, welche Bauarten und Normen es gibt und worauf Sie bei der Auswahl achten sollten. Wir informieren Sie über rechtliche Vorgaben in Deutschland und Europa, geben Ihnen praktische Hinweise zum Verhalten im Notfall und zeigen auf, wie regelmäßige Wartung und fachgerechte Lagerung die Einsatzbereitschaft Ihrer Rettungsinsel gewährleisten. Machen Sie sich mit dem nötigen Wissen vertraut – denn Sicherheit auf See beginnt mit sorgfältiger Vorbereitung!
1. Warum eine Rettungsinsel zur Sicherheitsausstattung gehört
Eine Rettungsinsel gehört auf seegehenden Yachten zur zwingend notwendigen Sicherheitsausstattung – besonders bei längeren Törns, Offshore-Fahrten oder Überführungen über offene Gewässer. Auch wenn niemand hofft, sie jemals benutzen zu müssen, stellt sie im absoluten Notfall die letzte Zuflucht dar, wenn das Schiff aufgegeben werden muss – etwa bei Feuer, Kollision oder Wassereinbruch.
Während Schwimmwesten den Aufenthalt im Wasser absichern, bietet nur eine Rettungsinsel Schutz vor Unterkühlung, Wellenschlag und Witterung sowie die Möglichkeit, über längere Zeit auf Rettung zu warten. Sie schafft einen geschützten Raum, in dem sich die Crew sammeln, erste Hilfe leisten und überleben kann – mit Proviant, Trinkwasser, Signalmitteln und Sichtschutz.
Auf hoher See oder in Kaltwasserrevieren ist das Zeitfenster für eine Rettung eng. Ohne Rettungsinsel sinken die Überlebenschancen rapide – auch bei moderatem Seegang. Wer Sicherheit ernst nimmt, rüstet seine Yacht mit einer geprüften und gewarteten Rettungsinsel aus, angepasst an Crewgröße, Fahrtgebiet und Einsatzzweck.
Offshore Rettungsinseln
2. Bauarten, Klassen und Normen – was eine Rettungsinsel auszeichnet
Rettungsinseln für die Sportschifffahrt sind hochspezialisierte Sicherheitssysteme, deren Qualität und Eignung maßgeblich durch anerkannte Normen und Klassifizierungen definiert werden. Die wichtigste Referenz in Europa für Yachteigner ist die ISO 9650, die internationale Mindeststandards für Rettungsinseln im nichtgewerblichen Bereich festlegt. Ergänzt wird sie durch strengere SOLAS-Vorgaben, die im kommerziellen Bereich Anwendung finden.

ISO 9650 – der Standard für Yachten
Die ISO 9650 unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Klassen von Rettungsinseln:
- ISO 9650-1: Für Fahrten auf hoher See, also mehr als 60 Seemeilen von einem Schutzgebiet entfernt. Diese Inseln sind für raues Wetter, starke Beanspruchung und Langzeiteinsatz konzipiert.
- ISO 9650-2: Für den Einsatz in Küstennähe oder geschützten Revieren mit begrenztem Seegang und kürzeren Rettungsintervallen. Diese Modelle sind einfacher ausgestattet und leichter, aber nicht für Offshore-Einsätze geeignet.
Innerhalb der ISO 9650-1 gibt es zwei weitere Unterteilungen, abhängig von den klimatischen Bedingungen:
- Typ A: Für kalte Zonen – mit wärmeisoliertem Boden (Thermoboden) zur Vermeidung von Unterkühlung.
- Typ B: Für wärmere Fahrtgebiete – ohne Isolierung des Bodens, dafür leichter und kompakter.
Pflichtanforderungen nach ISO 9650-1
Rettungsinseln nach ISO 9650-1 müssen eine Vielzahl von Kriterien erfüllen. Dazu zählen u. a.:
- Aufblasbare Doppelkammer-Schläuche mit redundanter Sicherung
- Selbstaufrichtendes Dach mit Regenwasser-Ablaufsystem
- Kenterhilfe: Schwimmkörper oder Gurtsystem zur Wiederaufrichtung nach Überschlag
- Einstiegshilfe: z. B. Leiter, Schleife oder Tasche – auch bei Erschöpfung bedienbar
- Auftrieb für mindestens 24 Stunden bei maximaler Belegung
- Sturmgerechtes Ballastsystem: Wasserballastsäcke zur Stabilisierung
- Reflektierende Markierungen und Blitzlicht zur Erkennbarkeit bei Nacht
Zusätzlich werden zwei Ausstattungsstandards definiert:
- Ausrüstungspaket A: Für Hochseefahrten – mit Notverpflegung, Wasser, Signalmitteln, Rettungsmesser, Paddeln, Schwämmen, Erste-Hilfe-Ausrüstung u. v. m.
- Ausrüstungspaket B: Für küstennahe Fahrten – abgespeckte Ausrüstung, kein Trinkwasser oder Nahrung enthalten.
Bei der Anschaffung ist zu prüfen, ob die Rettungsinsel nach ISO 9650-1, Typ A, mit Ausrüstungspaket A zertifiziert ist – das ist der Goldstandard für Blauwassersegler oder Hochsee-Crews.
SOLAS-Rettungsinseln
Rettungsinseln nach SOLAS (Safety of Life at Sea) unterliegen den höchsten Anforderungen und sind primär für kommerziell betriebene Schiffe vorgeschrieben. Sie bieten maximale Ausstattung und Redundanz, sind aber schwerer, teurer und für viele Yachten überdimensioniert.
Merkmale einer SOLAS-Insel sind z. B.:
- Starker PVC- oder Hypalon-Außenkörper mit erhöhter UV- und Abriebfestigkeit
- Vollständiges Überlebenspaket inkl. Nahrung, Wasser, Radarreflektor und medizinischer Ausrüstung
- Höhere Schwimmstabilität und erweiterter Schutz gegen extreme Kälte
- Offiziell zertifiziert für gewerbliche Fahrtgebiete nach Flaggenstaat-Vorgaben
Fazit: Die Wahl der richtigen Rettungsinsel beginnt mit der korrekten Klassifikation nach ISO 9650. Für Blauwasser und Offshore-Fahrten ist ein Modell nach ISO 9650-1, Typ A, mit Ausrüstungspaket A und optionaler Hydrostatikauslösung zu empfehlen. Küstensegler können auf leichtere ISO 9650-2-Inseln mit Paket B zurückgreifen. Wichtig ist, dass die Insel zur Crewgröße, zum Fahrtgebiet und zum gewünschten Sicherheitsniveau passt.
Coastal Rettungsinseln
3. Rechtliche Vorgaben in Deutschland, Europa und international
Die Mitführung einer Rettungsinsel ist im privaten Yachtsport nicht generell gesetzlich vorgeschrieben – ihre Notwendigkeit ergibt sich vielmehr aus dem Fahrtgebiet, dem Schiffsstatus (privat oder gewerblich) sowie den Vorgaben des Flaggenstaats. Dennoch gibt es zahlreiche empfohlene Standards und verpflichtende Vorgaben, insbesondere für gewerbliche oder gewerblich genutzte Yachten.
Deutschland
Für privat geführte Yachten unter deutscher Flagge besteht keine gesetzliche Pflicht zur Rettungsinsel, auch nicht für Hochseefahrten. Die Verantwortung liegt beim Schiffsführer, der gemäß Seerecht verpflichtet ist, für ausreichende Sicherheitsausrüstung zu sorgen. Für gewerblich genutzte Schiffe (z. B. Ausbildung, Charter mit Skipper) gelten hingegen die Bestimmungen der BG Verkehr und die Vorschriften der See-Berufsgenossenschaft, die u. a. eine SOLAS-zertifizierte Rettungsinsel vorschreiben.
Frankreich & Niederlande
In Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden gelten teilweise deutlich strengere Anforderungen für das Führen von Booten außerhalb der Küstenzone. Dort kann bereits ab einer Entfernung von mehr als 6 Seemeilen eine ISO 9650-1 zertifizierte Rettungsinsel vorgeschrieben sein. Wer in diesen Revieren segelt, sollte sich vorab mit den Vorschriften des jeweiligen Flaggenstaats vertraut machen.
Empfehlung
Unabhängig von der Rechtslage sollte für jede Fahrt außerhalb geschützter Küstengewässer eine ISO 9650-zertifizierte Rettungsinsel mit ausreichender Personenanzahl, geprüftem Servicezustand und angepasster Ausrüstung an Bord sein. Bei gewerblicher Nutzung ist in der Regel eine SOLAS-Insel mit umfangreicher Notausrüstung Pflicht.
4. Auftrieb, Personenanzahl, Ausstattung – Auswahlkriterien für Fahrtensegler
Die Auswahl der passenden Rettungsinsel richtet sich nicht nur nach den Normen, sondern vor allem nach den praktischen Anforderungen an Bord. Hier sind die wichtigsten Kriterien, die Eigner bei der Anschaffung berücksichtigen sollten:
Personenzahl
Die Insel sollte für die maximale Zahl der Crewmitglieder plus 1–2 Personen ausgelegt sein – Überkapazität schafft Spielraum bei Verletzten oder zusätzlicher Beladung. Wichtig: Die Herstellerangaben zur Personenzahl beziehen sich auf den Überlebensbetrieb, nicht auf Komfort. Eine 4-Personen-Insel ist bei voller Belegung sehr eng.

Auftrieb und Stabilität
Ein ausreichender Auftrieb über mindestens 24 Stunden ist Pflicht. Ballastsäcke unter der Insel, ein doppelter Schlauchkörper sowie Kenterhilfe sorgen für Stabilität bei Wind und Seegang. Für den Offshore-Bereich ist eine Insel mit mindestens vier Ballastsäcken und 200 l Wasserverdrängung pro Sack empfehlenswert.
Packmaß & Gewicht
Gerade auf kleineren Yachten ist der Stauplatz entscheidend. Container-Inseln benötigen eine Halterung an Deck oder auf dem Heckkorb, sind aber robuster. Taschenmodelle lassen sich unter Deck verstauen, müssen aber im Notfall schnell zugänglich sein. Das Gewicht variiert je nach Modell zwischen 15 und 40 kg.
Ausstattung
Die Ausstattung hängt vom Ausrüstungspaket (A oder B) ab und sollte mindestens umfassen:
- Signalmittel: Rauchsignal, Leuchtraketen, Notfackeln
- Rettungsmesser: zum Durchtrennen der Verbindung zur sinkenden Yacht
- Trinkwasser, Notrationen (nur Paket A)
- Erste-Hilfe-Set, Schwämme, Paddel
- Thermo-/Rettungsfolie, Becher, Reparaturset
Hinweis: Die tatsächliche Ausstattung variiert zwischen Herstellern – ein Vergleich lohnt sich. Wer regelmäßig offshore unterwegs ist, sollte bewusst in eine voll ausgestattete ISO 9650-1 Typ A Rettungsinsel mit Paket A investieren.
5. Auslösung und Verhalten im Notfall – der Ernstfall Schritt für Schritt
Eine Rettungsinsel kann Leben retten – vorausgesetzt, sie ist schnell einsatzbereit und die Crew weiß, was zu tun ist. Der Ablauf im Notfall folgt klaren Schritten, die bereits in der Sicherheitseinweisung an Bord geübt und kommuniziert werden sollten.
Vorbereitung
Sobald sich ein Verlassen des Schiffes abzeichnet – etwa durch Feuer, Wassereinbruch oder Kenterung – sollte die Crew sich mit Schwimmweste, Überlebensausrüstung (Grab Bag) und Signalmitteln ausrüsten. Die Rettungsinsel wird ins Wasser befördert, ohne vorherige Auslösung, mit dem Verbindungsseil (Painter) am Schiff befestigt.
Auslösung
Durch einen kräftigen Zug am Painter entfaltet sich die Rettungsinsel automatisch. Bei hydrostatischer Auslösung erfolgt dies selbsttätig ab ca. 1,5 bis 4 Metern Tiefe – wichtig, falls das Schiff plötzlich sinkt und niemand eingreifen kann. Nach der Entfaltung wird die Verbindung zur sinkenden Yacht mit dem Rettungsmesser gekappt.
Boarding
Einsteigen sollte möglichst geordnet erfolgen – entweder über die integrierte Einstiegsleiter, eine Schlaufe oder per „Überrollen“. Hilfestellung durch bereits eingestiegene Crewmitglieder ist entscheidend. Personen mit Schwäche oder Verletzungen haben Priorität.
Verhalten in der Insel
Nach dem Einstieg wird die Rettungsinsel durch das Ballastsystem stabilisiert. Dann gilt:
- Wind- und Wetterschutz schließen
- Signalmittel vorbereiten und einsetzen, sobald Sichtkontakt mit Schiffen besteht
- Überlebensausrüstung sichern und Inventar prüfen
- Trinkwasser rationieren, ggf. Regen auffangen
- Wachposten einrichten, psychologische Betreuung verletzter oder panischer Personen
Tipp: Wer regelmäßig segelt, sollte den Ernstfall im Rahmen einer Sicherheitsschulung (z.B. ISAF Safety Training) trainieren – das erhöht die Handlungsfähigkeit im kritischen Moment erheblich.

6. Stauung, Wartung und Ablaufdaten – was die Einsatzbereitschaft garantiert
Eine Rettungsinsel ist nur dann ihr Geld wert, wenn sie im Ernstfall funktioniert und zugänglich ist. Deshalb ist nicht nur die Qualität des Produkts entscheidend, sondern auch seine fachgerechte Lagerung und regelmäßige Wartung.
Stauung an Bord
Container-Modelle sollten in einer zugänglichen, frei auslösbaren Halterung an Deck oder auf dem Heckkorb gelagert werden – idealerweise mit hydrostatischem Auslöser (z. B. Hammar-System). Die Position muss im Notfall innerhalb weniger Sekunden erreichbar sein – auch bei Lage, Rauch oder Dunkelheit.
Softbag-Modelle gehören unter Deck in die Nähe des Niedergangs oder eines Notausstiegs. Wichtig ist, dass sie nicht verstaut, verbaut oder vergessen werden. Die Sicherung mit Gurten oder Haltebändern darf eine schnelle Bergung nicht behindern.
Wartung und Service
Rettungsinseln unterliegen einer regelmäßigen Wartungspflicht – die Intervalle variieren je nach Hersteller, liegen aber meist bei 3 Jahren. Die Wartung erfolgt durch zertifizierte Servicebetriebe, die dabei folgende Punkte prüfen:
- Dichtheit und Funktion des Schlauchsystems
- Auslösung der Gaspatrone und Druckspeicherung
- Vollständigkeit und Haltbarkeit der Ausrüstung
- Funktion des Blitzlichts und der Signalmittel
- Eintrag und Stempelung im Prüfbuch
Ablaufdaten von Leuchtsignalen, Wasser, Notrationen und CO₂-Patronen müssen regelmäßig überprüft und ersetzt werden. Eine überalterte oder nicht gewartete Rettungsinsel kann im Ernstfall versagen – mit fatalen Folgen.
Eine Rettungsinsel ist nur so zuverlässig wie ihre Pflege. Wer regelmäßig wartet, korrekt lagert und die Crew einweist, schafft die Voraussetzung dafür, dass sie im Notfall zur echten Lebensversicherung wird.
Rettungsinselhalter
7. Fazit: Sicherheit beginnt mit Vorbereitung
Die Rettungsinsel ist das ultimative Rückfallinstrument auf See – für den Fall, dass alle anderen Maßnahmen versagen und das Schiff verlassen werden muss. Sie ersetzt keine Prävention, aber sie sichert das Überleben. Umso wichtiger ist es, nicht nur ein geprüftes, normgerechtes Modell an Bord zu haben, sondern sich auch mit der korrekten Handhabung, Wartung und Lagerung vertraut zu machen.
Wer auf dem offenen Meer unterwegs ist – ob im Ärmelkanal, auf dem Atlantik oder im Mittelmeer – sollte die Auswahl seiner Rettungsinsel genauso sorgfältig treffen wie bei Plotter oder Rigg. Normen wie ISO 9650, regelmäßiger Service und eine praxisgerechte Lagerung sind dabei keine Option, sondern Voraussetzung.
Compass24-Tipp: Wählen Sie Ihre Rettungsinsel nicht nach Preis, sondern nach Fahrtgebiet, Crewgröße und Einsatzzweck. Eine gut gewartete, korrekt gelagerte und sinnvoll ausgestattete Rettungsinsel kann im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden.